Zusammenfassung des Urteils ZB.2021.16 (AG.2021.252): Appellationsgericht
Der Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt betrifft eine Berufungsklage bezüglich des Getrenntlebens zweier Ehegatten. Der Berufungskläger fordert die Aufhebung der Trennung des Wohnsitzes und die Zusprechung von CHF 10'000 für Schäden. Das Gericht entscheidet, dass aufgrund von verspäteten Anträgen und fehlender Begründung nicht auf die Berufung eingetreten wird. Auch der Antrag auf Aufhebung der standesamtlichen Trauung wird abgelehnt. Es wird auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet. Der Richter des Dreiergerichts ist männlich.
Kanton: | BS |
Fallnummer: | ZB.2021.16 (AG.2021.252) |
Instanz: | Appellationsgericht |
Abteilung: |
Datum: | 27.04.2021 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Getrenntleben |
Schlagwörter: | Berufung; Entscheid; Appellationsgericht; Zivilgericht; Anzeige; Eingabe; Rechtsmittel; Zivilgerichts; Behörde; Berufungskläger; Verfahren; Kantons; Antrag; Appellationsgerichts; Akten; Zivilsachen; Getrenntleben; Anträge; Aufhebung; Schweiz; Kommentar; Basel; Leiterin; Sachbearbeiter; Landshut/Bosshard |
Rechtsnorm: | Art. 113 BGG ;Art. 114 ZGB ;Art. 180 StGB ;Art. 312 ZPO ;Art. 314 ZPO ;Art. 317 StGB ;Art. 42 BGG ; |
Referenz BGE: | 143 III 153; |
Kommentar: | Donatsch, Schmid, Jositsch, Kommentar zur StPO, Art. 39 Abs. 1; Art. 301 StPO, 2020 |
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Dreiergericht |
ZB.2021.16
ENTSCHEID
vom 27.April2021
Mitwirkende
Dr. Stephan Wullschleger, lic. iur. André Equey, Dr. Patrizia Schmid
und Gerichtsschreiberin lic. iur. Barbara Pauen Borer
Parteien
A____ Berufungskläger
[...]
gegen
B____ Berufungsbeklagte
[...]
vertreten durch [...], Advokatin,
[...]
Gegenstand
Berufung gegen einen Entscheid des Zivilgerichts
vom 5. August 2020
betreffend Getrenntleben (EA.2020.[...])
Sachverhalt
Mit Entscheid des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 5.August 2020 (act.1, Aktenzeichen EA.2020.[...]) wurde den Ehegatten B____ und A____ das bestehende Getrenntleben bestätigt und dieses geregelt. Mit einer Eingabe vom 5. März 2021 an das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht (act.2) stellte A____ verschiedene Anträge. Betreffend einen Antrag auf Aufhebung der Anordnung, die Schweiz zu verlassen, und betreffend eine allfällige Aufsichtsbeschwerde (betreffend Mitarbeitende des Migrationsamts) überwies ein Appellationsgerichtspräsident, als Mitglied der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Appellationsgerichts, die Sache zuständigkeitshalber dem Justiz- und Sicherheitsdepartement (vgl. Verfahren VD.2021. [...]).
Betreffend die übrigen Anträge wird die Eingabe aufgrund ihres privatrechtlichen Gegenstands mit dem vorliegenden Entscheid von der zivilrechtlichen Abteilung des Appellationsgerichts behandelt.
Der Entscheid ist auf dem Zirkulationsweg ergangen. Die Akten der Vorinstanz wurden beigezogen.
Erwägungen
1.
1.1 Hat wegen Säumnis ein Nichteintretensentscheid zu ergehen fällt das Rechtsmittel wegen Säumnis von Gesetzes wegen dahin, so ist gemäss § 44 Abs.1 des Gesetzes betreffend die Organisation der Gerichte und der Staatsanwaltschaft (GOG, SG 154.100) der Einzelrichter bzw. der Verfahrensleiter einschliesslich des Kostenentscheids zuständig. Für den vorliegenden Entscheid wäre insweit somit der Verfahrensleiter als Einzelrichter zuständig (vgl. unten E.2). Da aber auch über andere Anträge von A____ zu befinden ist, ist für den Entscheid insgesamt das Appellationsgericht als Dreiergericht zuständig (vgl. § 92 Abs. 1 Ziff. 6 GOG).
1.2 Die Berufung ist der Gegenpartei zur schriftlichen Stellungnahme zuzustellen, es sei denn, sie erweise sich als offensichtlich unzulässig offensichtlich unbegründet (Art. 312 Abs.1 ZPO). Die Zustellung an die Gegenpartei ist somit die Regel, von welcher aber abgewichen werden kann, wenn sich die Berufung als offensichtlich unzulässig offensichtlich unbegründet erweist. Dies hat sich im Rahmen einer Vorprüfung herauszustellen und dient der Verfahrensökonomie (BGE 143 III 153 E. 4.5 S. 155 f. mit weiteren Hinweisen). Offensichtlich unzulässig ist eine Berufung insbesondere, wenn sie klar verspätet ist (BotschaftZPO, 7373; Spühler, in: Basler Kommentar ZPO, 3. Aufl. 2017, Art. 312 N 11). Offensichtlich unbegründet ist eine Berufung, die ohne weiteres erkennbar keine stichhaltigen Beanstandungen am erstinstanzlichen Entscheid enthält, die sich schon aufgrund einer summarischen Prüfung als aussichtslos erweist. Die Berufung muss in materieller Hinsicht schlicht aussichtslos sein, dabei muss die Chancenlosigkeit klar zu Tage treten (BGE 143 III 153 E. 4.6 S. 156 mit weiteren Hinweisen; vgl. Spühler, a.a.O.).
2.
Zunächst beantragt der Berufungskläger unter Verweis auf einen Entscheid des Zivilgerichts mit dem Aktenzeichen EA.2020. [...] die Aufhebung der Trennung des Wohnsitzes. Damit ficht er sinngemäss den Entscheid des Zivilgerichts vom 5. August 2020 betreffend Getrenntleben an, mit dem unter anderem ihm und seiner Ehefrau das seit dem 15.Mai 2020 bestehende Getrenntleben bestätigt, die eheliche Wohnung der Ehefrau mit den Kindern zugeteilt und er (Berufungskläger) zum Verlassen der ehelichen Wohnung verpflichtet wurde. Dieser Entscheid ist mit Berufung anfechtbar gewesen (Art. 308 Abs. 1 lit. b ZPO). Die Berufung hätte beim Appellationsgericht innert 10 Tagen seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung eingereicht werden müssen (Art. 311 Abs. 1 und Art. 314 Abs. 1 ZPO). Die schriftliche Entscheidbegründung mit Rechtsmittelbelehrung wurde dem Berufungskläger am 8. Oktober 2020 zugestellt (vgl. Akten Zivilgericht, Protokoll [Reg. 1], Zustellbescheinigung vom 8.10.2020, Akten Zivilgericht [Reg. 2]). Damit endete die Berufungsfrist am 19.Oktober 2020. Auf die sinngemässe Berufung vom 5. März 2021 gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 5.August 2020 ist daher infolge offensichtlicher Verspätung nicht einzutreten.
3.
Weiter beantragt A____ die Aufhebung der standesamtlichen Trauung in Basel vom 6. Januar 2014 zwischen ihm und seiner Ehefrau. Mangels Begründung lässt sich dieser Antrag rechtlich nicht eindeutig einordnen. Es könnte sich insbesondere um eine sinngemässe Ungültigkeitsklage (Art. 104 ff.) allenfalls eine sinngemässe Scheidungsklage (Art. 114 f. ZGB) handeln. Jedenfalls ist für den Antrag weder das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht noch das Appellationsgericht als Rechtsmittelinstanz in Zivilsachen zuständig. Daher ist auf den Antrag nicht einzutreten. Eine Pflicht zur Weiterleitung an die zuständige Behörde besteht nicht (vgl. AGE DGZ.2020.11 vom 16. Februar 2021 E. 2.2).
4.
Schliesslich beantragt A____ die Zusprechung von CHF 10000.- für moralische und finanzielle Schäden. Auf welche Rechtsgrundlage er diese Forderung stützt und gegen wen sich diese richtet, ist mangels Begründung nicht erkennbar. Möglicherweise handelt es sich um eine Forderung aus Staatshaftung. Da A____ kein schädigendes Verhalten eines Mitglieds des Zivilgerichts behauptet, ist das Appellationsgericht dafür nicht zuständig (vgl. § 6 des Haftungsgesetzes [HG, SG 161.100]). Auch bei Annahme einer anderen Anspruchsgrundlage fehlt es an der Zuständigkeit des Appellationsgerichts als Verwaltungsgericht Rechtsmittelinstanz in Zivilsachen. Auf den Antrag auf Zusprechung von CHF 10000.- ist deshalb ebenfalls nicht einzutreten.
5.
5.1 Die Leiterin und ein Sachbearbeiter der Abteilung Aufenthalte des Migrationsamts ersuchten A____ mit Schreiben vom 11. Februar 2021 insbesondere gestützt auf einen Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons [...] vom 7.März 2017, die Schweiz innert einer Frist bis zum 15. März 2021 zu verlassen, und behielten sich für den Fall, dass A____ diese Frist nicht einhält, drastischere Massnahmen gegen ihn vor. Mit seiner Eingabe vom 5. März 2021 informiert A____ das Apppellationsgericht über seinen Entscheid, eine Beschwerde gegen die Leiterin und den Sachbearbeiter einzureichen wegen Fälschung und Verwendung einer Fälschung zum Zweck der Drohung und Einschüchterung.
5.2 Gemäss Art.301 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) ist jede Person berechtigt, Straftaten bei einer Strafverfolgungsbehörde schriftlich mündlich anzuzeigen. Eine für die Entgegennahme einer Strafanzeige nicht zuständige Behörde hat diese an die zuständige Behörde weiterzuleiten (vgl. Art.39 Abs. 1 StPO; Landshut/Bosshard, in: Donatsch et al. [Hrsg.], Kommentar zur StPO, 3. Auflage, Zürich 2020, Art.301 N 5; Schmid/Jositsch, StPO Praxiskommentar, 3. Auflage, Zürich 2018, Art.301 N 2). Unter einer Strafanzeige wird eine Wissenserklärung über eine strafbare Handlung verstanden. Als Strafanzeige ist jede Meldung zu verstehen, die auf eine konkrete angeblich strafbare Handlung Bezug nimmt (vgl. Landshut/Bosshard, a.a.O., Art.301 N 2; Riedo/Boner, in: Basler Kommentar, 2.Auflage 2014, Art.301 StPO N 3 f. und 11). Eine Erklärung, die keinen Bezug auf eine konkrete angeblich strafbare Handlung nimmt, wie beispielsweise eine pauschale Schuldzuweisung ohne Hinweis auf einen spezifischen Sachverhalt, stellt keine Strafanzeige im Sinn von Art.301 StGB dar und begründet keine Pflicht zur förmlichen Behandlung (vgl. Landshut/Bosshard, a.a.O., Art.301 N2; Riedo/Boner, in: Basler Kommentar, 2. Auflage 2014, Art.301 StPO N 11). Die Pflicht zur Weiterleitung einer Strafanzeige an die zuständige Behörde entfällt, wenn sich bereits aus der Anzeige ergibt, dass die Anschuldigungen offensichtlich aus der Luft gegriffen sind (vgl. Landshut/Bosshard, a.a.O., Art. 301 N 5 f.). Gemäss § 35 Abs. 1 des Gesetzes über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung (EG StPO, SG 257.100) haben Personen, die in der Stellung als Mitglieder von Behörden als Bedienstete des Kantons Basel-Stadt Kenntnis von von Amtes wegen zu verfolgenden Verbrechen Vergehen erhalten, diese anzuzeigen.
5.3 Aufgrund der Eingabe von A____ vom 5. März 2021 und ihrer Beilagen ist nicht ansatzweise erkennbar, wie die Leiterin der Sachbearbeiter den Tatbestand der Urkundenfälschung (Art. 251 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs [StGB, SR 311.0]) der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) erfüllt haben könnten. Diesbezüglich ist die Eingabe daher nicht als Strafanzeige zu qualifizieren. Weshalb das Verhalten der Leiterin des Sachbearbeiters, insbesondere ihr Schreiben vom 11. Februar 2021, als Drohung (Art. 180 StGB) Nötigung (Art.181 StGB) qualifiziert werden könnte, ist aufgrund der Eingabe vom 5. März 2021 und ihrer Beilagen auch nicht ansatzweise erkennbar. Falls die Eingabe diesbezüglich als Strafanzeige qualifiziert würde, wäre ein allfälliger Vorwurf der Drohung Nötigung offensichtlich aus der Luft gegriffen. Folglich ist das Appellationsgericht als für die Entgegennahme von Strafanzeigen nicht zuständige Behörde nicht verpflichtet, die Eingabe vom 5. März 2021 als Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft als für Strafanzeigen zuständige Behörde weiterzuleiten. Mangels eines Tatverdachts trifft die Gerichtspersonen des Appellationsgerichts auch keine Anzeigepflicht gemäss § 35 Abs. 1 EG StPO.
6.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten für das vorliegende Verfahren wird in Anwendung von § 40 des Gerichtsgebührenreglements (GGR, SG 154.810) umständehalber verzichtet.
Demgemäss erkennt das Appellationsgericht (Dreiergericht):
://: Auf die sinngemässe Berufung gegen den Entscheid des Zivilgerichts vom 5.August 2020 (EA.2020.[...]) wird nicht eingetreten.
Auf die Anträge des Berufungsklägers auf Aufhebung der standesamtlichen Trauung sowie auf Zusprechung von CHF 10000.- wird nicht eingetreten.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten für das vorliegende Verfahren wird verzichtet.
Mitteilung an:
- Berufungskläger
- Berufungsbeklagte
- Zivilgericht
APPELLATIONSGERICHT BASEL-STADT
Die Gerichtsschreiberin
lic. iur. Barbara Pauen Borer
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid kann unter den Voraussetzungen von Art. 72 ff. des Bundesgerichtsgesetzes (BGG) innert 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung Beschwerde in Zivilsachen erhoben werden. In vermögensrechtlichen Angelegenheiten gilt dies nur dann, wenn der Streitwert die Beschwerdesumme gemäss Art. 74 Abs. 1 lit. a b BGG erreicht (CHF15'000.- bei Streitigkeiten aus Miete Arbeitsverhältnis bzw. CHF30'000.- in allen übrigen Fällen) wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Die Beschwerdeschrift ist fristgerecht dem Bundesgericht (1000 Lausanne 14) einzureichen. Für die Anforderungen an deren Inhalt wird auf Art. 42 BGG verwiesen. Über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet das Bundesgericht.
Ob an Stelle der Beschwerde in Zivilsachen ein anderes Rechtsmittel in Frage kommt (z.B. die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 113 BGG), ergibt sich aus den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen. Wird sowohl Beschwerde in Zivilsachen als auch Verfassungsbeschwerde erhoben, sind beide Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift einzureichen.
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